Die Polka «Die Zeitlose» hat auf dem Weg von Russland, wo sie entstanden ist, nach Wien ihren Titel auf seltsame Weise verändert. Als Johann Strauss (Sohn) das Werk am 19.9./1.10. des Jahres 1865 in Pawlowsk bei St. Petersburg zum ersten Male aufspielte, stand auf dem Programmzettel «Reconnaisance-Polka» (Wiedererkennung, Anerkennung, aber auch militärische Erkundung). Doch als der Komponist dasselbe Werk am 12. November dem Wiener Publikum vorstellte, wurde es unter der Bezeichnung «Die Zeitlose» aufgeführt. Der Hörer konnte als z.B. an die Blume mit den zartlila Blütenblättern denken, die im Herbst auf unseren Wiesen blühen. Da diese Blüten («Herbstzeitlose») zunächst ohne Blätter aus der Erde sprießen und die Knollen das Grün erst im Frühjahr gleichsam nachliefern, konnte man denken, dass die Pflanze außerhalb des sonst in der Natur üblichen Jahresrhythmus lebe, also «zeitlos» sei. Der Zeichner des Titelblattes der Erstausgabe hat es sich leicht gemacht: er stellte einfach eine geflügelte Mädchengestalt mit einem Ziffernblatt als Genia (=Schutzgöttin) der Zeitlosigkeit dar. Welcher Deutung immer man sich anschließen will (ein Bezug auf eine militärische Erkundung kommt nicht in Betracht) – die Polka ist jedenfalls von zeitloser Schönheit.
Text: Prof. Franz Mailer
Konzerte
Orchester
Medien
Shop
Lizenzen
Kontakt
Sitelinks
Partner
Newsletter